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Poledance und dein Körper – Teil 3

Als ich 2015 mit Pole Dance anfing, war ich “die Dicke” im Kurs. Ich habe schnell Bewunderung dafür erhalten, dass ich trotz mehr Gewicht schnelle Erfolge erzielt habe.

Das lag mitunter auch daran, dass ich vorher im Fitnessstudio Gewichte gehoben hab und schon einige Klimmzüge und Liegestütze konnte. Pole hat mich aber unheimlich stark gemacht. Im Studio selbst wurde ich nie für meinen Körper diskriminiert, aber ich habe mich selbst so oft verglichen.

“Ist doch klar, dass sie einen Handspring schnell schafft, sie ist ja auch mega schlank.” Waren Gedanken, die ich oft hatte. Ich habe für eine lange Zeit immer nur das gesehen, was anders war und nicht das wertgeschätzt, was mich anders macht. Ich habe immer nur Körper verglichen und bewundert, aber nie meinen eigenen.

Und das war tatsächlich schon immer so. Ich war auch ein übergewichtiges Kind und habe meinen Kummer in einem bindungsarmen Haushalt eben mit Essen kompensiert. Ich wurde von meiner Mutter immer mit anderen Mädchen und später Frauen verglichen und auch wenn ich oft dagegen angekämpft habe, wurde die Stimme im Kopf immer größer. Die Stimme, die sagte, ich sei nicht richtig. Die Stimme, die sagte, ich sei fett. Die Stimme, die sagte, ich sei nur etwas wert, wenn ich schlank und hübsch sei. Und ja, all das hat meine Mutter mir als Kind tatsächlich gesagt.

Diese Sätze setzen sich vor allem, wenn sie im Alter von 0-12 Jahren kamen, als Prägung, Glaubenssatz oder Anteil deiner Identität fest. Deswegen war ich also immer “die Fette”. Egal wie schlank ich mich mal herunter gehungert habe, ich war sie in meinen Augen noch immer.

Durch Pole hatte ich nach gut einem Jahr super viel abgenommen und an den richtigen Stellen Muskeln aufgebaut und ich war das erste Mal fast zufrieden. Aber verglichen habe ich mich trotzdem mit schlanken Frauen. Mein Gewicht fluktuierte basierend auf meinem Stresslevel und dann explodierte es in 2021.

Ich hörte dann Sätze wie “Ich finde es so toll, dass Chantal uns als Trainerin trotz ihrer Fülle so ein tolles Vorbild ist”. Wenn ich vor den Ladies als Trainerin stehe, hängt mein Bauch halt raus und ich fühle mich vor meinen Polerinas immer wohl, aber dieser Satz zeigt mir, dass auch von außen meine Pfunde gesehen und wahrgenommen werden.

“Obwohl sie einen Bauch hat, tanzt sie so unheimlich geil” Würde es da nicht einfach reichen zu sagen, dass ich geil tanze?!

Dann kam der Zusammenbruch

2021 hatte ich im Studio dann einen emotionalen Zusammenbruch. Ich trainierte für mich und habe so oft den Aerial Invert geübt und bin so oft daran gescheitert, ihn super clean hinzubekommen. Der Standard für Polearize Online war doch, ihn SUPER SAUBER zu machen. Ich habe es nicht mehr geschafft. Ich habe so doll zugenommen, dass ich es einfach nicht mehr geschafft habe. Ich habe mich so hart fertig dafür gemacht, denn was sich über die Jahre noch zusätzlich entwickelt hat, ist der innere Kritiker, der mich super super dolle verurteilt.

Da stand ich nun im Studio vor der riesigen Spiegelwand und es strömten Tränen herunter. Ich habe mich verflucht. “Wieso kannst du das nicht, du dumme B*tch!”, “Wieso bist du so schlecht?!”, “Wieso kriegst du deinen Fettarsch nicht hoch, du faule Sau?!” Ja… so habe ich wirklich mit mir geschimpft. Und seit diesem Zusammenbruch hat sich alles verändert. Mir wurde meine eigene Leistung und mein innerer Kritiker egaler. Ich habe aufgehört mich zu vergleichen und fing an, Sexy und Lapdance Workshops zu geben, um sich selbst zu feiern und zu lieben.

Anfang 2022 begann  ich dann meine Ausbildung zur traumasensiblen Life Coachin und das hat mein Körpergefühl und meine innere Einstellung auf ein anderes Level gehoben. Ich habe an meinen Traumata, meinen Glaubenssätzen und meiner Selbstliebe gearbeitet, indem ich mein Nervensystem reguliert habe, mich mit meiner damaligen Coachin zusammengesetzt habe, um Blindspots aufzudecken und mich selbst kennengelernt. Was alles in kürzester Zeit passiert ist, das verblüffte mich.

Ich wurde innerhalb kürzester Zeit entspannter, konnte meinen und andere Körper feiern und eine Tradition die ich mir bis heute beibehalten hab ist folgende: Jedes Mal wenn mein Unterricht vorbei war und ich das Studio sauber gemacht hab, habe ich in den Spiegel geschaut und mir selbst schöne Dinge gesagt, mich wertgeschätzt und mich “geile Sau” genannt. Im Pole Dance sehen wir uns bei jeder Trainingseinheit im Spiegel und wir dürfen lernen, das zu akzeptieren und sogar zu lieben, was wir sehen, denn wir sehen es unser ganzes Leben lang. Heute verwöhne ich meinen Körper, höre auf ihn und schenke ihm Liebe.

Ich denke übrigens immer noch, dass ich zu dick bin und etwas abnehmen könnte 😉 Aber das bestimmt weder meinen Alltag, noch meinen Beruf und auch nicht meine Selbstliebe und mein Körpergefühl. Ich bin so unheimlich stolz auf das, was ich geschafft habe, was mein Körper mir erlaubt hat aufzubauen, auch wenn ich öfter über seine Grenzen gegangen bin. Und ich bin stolz, andere Körper und die dazugehörigen Menschen, die darin wohnen, feiern zu dürfen, sowohl auf Polearize Online als auch in meinem Beruf als Coach.

Ich wünsche dir viel Frieden und viel Liebe für deinen Körper und habe ein so großes Vertrauen darin, dass du es (wenn du es nicht schon tust) spüren wirst <3

In Liebe
Deine Chantal

Genug gesehen? Bereit Polearizer zu werden?